Trans Männer im Sport: Sichtbar werden heißt mitreden dürfen
Während sich die ganze Welt über trans Frauen im Sport empört, bleiben trans Männer vollkommen unsichtbar. Warum das ein Problem ist – für die Wissenschaft, die Medien und die Fairness.
Es ist wieder so weit. Die trans Sport-Debatte ist zurück in den Schlagzeilen – und wie immer geht es nur um eines: trans Frauen.
Donald Trump hat im Februar mit seiner Executive Order 14201 das Thema neu entfacht. Die Verordnung mit dem Titel „Keeping Men Out of Women’s Sports“ schreibt vor, dass trans Frauen von Mädchen- und Frauenwettbewerben ausgeschlossen werden. Sie erlaubt sogar, Visa für trans Athletinnen zu verweigern – besonders im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Und World Athletics? Der internationale Leichtathletikverband will nun Chromosomentests einführen, um „die Integrität des Frauensports zu schützen“. Eine Entscheidung, die international für Aufsehen sorgt.
Aber was ist mit trans Männern?
Die große Leere
Während sich politische Maßnahmen und mediale Aufmerksamkeit ausschließlich auf trans Frauen konzentrieren, bleiben trans Männer völlig aus der Debatte ausgeschlossen. Wer sich als Mann identifiziert und im Männersport antritt, wird schlicht übersehen – auch in der Wissenschaft.
Ein aktueller Artikel im British Journal of Sports Medicine (58/11) untersucht die Auswirkungen von Hormontherapie auf Muskelmasse, Ausdauer und Leistungsfähigkeit. Das Problem?
Trans Männer kommen in dieser Studie gar nicht vor.
Auch World Athletics erwähnt sie in seinen Richtlinien mit keinem Wort.
Was Testosteron wirklich verändert
Dabei wissen wir eigentlich genug, um zu sagen: Testosteron hat einen messbaren Einfluss auf den Körper.
Trans Männer, die eine geschlechtsangleichende Hormontherapie beginnen, erfahren innerhalb weniger Monate:
• einen klaren Fett-zu-Muskel-Umbau,
• höhere Muskelkraft und Belastbarkeit,
• eine verbesserte Sauerstoffaufnahme durch steigenden Hämoglobin spiegel.
Diese Effekte stabilisieren sich meist nach etwa zwei Jahren – doch wie sehr sich die Leistungsfähigkeit dann an die von cis Männern annähert, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Warum? Weil niemand es systematisch untersucht.
Zwischen Weltverband und Straßenlauf
Die geplante Testpflicht von World Athletics betrifft nicht nur Bahn- und Stadionwettkämpfe. Denn:
World Athletics ist eng mit der Abbott World Marathon Majors Serie verbunden – also mit ikonischen Läufen wie New York, Boston, Berlin oder Chicago.
Die AbbottWMM kooperieren mit World Athletics u. a. im Bereich Dopingkontrollen und Leistungsregulierung. Was bedeutet das?
Es ist nicht auszuschließen, dass Regeländerungen wie die Chromosomenpflicht auch auf den Breitensport durchschlagen – etwa bei Eliteläufer*innen oder Qualifikationsläufen.
Das würde bedeuten: Auch im Marathonsport könnte eine Geschlechtsüberprüfung Realität werden – zumindest in der Profiliga.
Aber während trans Frauen gezielt ausgeschlossen werden, wird über trans Männer weiterhin nicht einmal gesprochen.
Der Preis der Unsichtbarkeit
Die Folgen dieser Forschungslücke sind mehr als theoretisch.
Ohne Daten gibt es keine Sichtbarkeit. Ohne Sichtbarkeit keine Förderung. Und ohne Förderung keine Chance, dass trans Männer im Männersport wirklich Fuß fassen können – vor allem im Leistungssport.
Während trans Frauen pauschal unter Verdacht stehen, „zu viel“ zu leisten, gelten trans Männer oft als „zu wenig“ leistungsfähig, um überhaupt erwähnt zu werden.
Beide Sichtweisen sind falsch. Beide sind gefährlich. Und beide verzerren, was Sport eigentlich sein sollte: fair, offen, menschlich.
Zeit, die Perspektive zu wechseln
Trans Männer sind keine Randnotiz. Sie sind Teil des Sports. Teil der Gesellschaft. Und sie verdienen es, mitgedacht zu werden – in Studien, in Richtlinien, in öffentlichen Diskussionen.
Wenn wir wirklich über Fairness im Sport sprechen wollen, dann müssen alle Perspektiven auf den Tisch. Nicht nur die, über die sich am lautesten streiten lässt.
Sichtbar werden heißt: mitreden dürfen.
Und wer nicht mitreden darf, bleibt außen vor – sportlich, politisch, menschlich.
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Kommentare, Fragen und Ergänzungen sind wie immer willkommen.